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Der Seeclub im Bieler Tagblatt: Marion Heiniger und Tommaso Fassone streben an, international für Furore zu sorgen, andere regattieren nicht. Der Bieler Ruderclub will für alle optimale Bedingungen schaffen.

Ein Boot nach dem anderen bewegt sich vom Bootshaus weg auf den Bielersee hinaus. Dieses Bild bot sich am Mittwochabend bei einem Training des Seeclubs. Es gilt, den letzten Feinschliff für die Regatta in Lauerz vom Wochenende zu holen. Der Seeländer Verein ist einer der grössten Ruderklubs in der Schweiz. Er zählt gut 300 Mitglieder mit ganz unterschiedlichen Ambitionen.

Die 20-jährige Marion Heiniger zählt zu den Ambitionierten. Sie sagt über den Stellenwert des Sports für sie persönlich: «Ich versuche immer, mich nicht über das Rudern zu identifizieren, aber es ist schon ein grosser Bestandteil meines Lebens.» Das zeigt auch der hohe Trainingsaufwand, den sie investiert. Heiniger trainiert neun- bis elfmal pro Woche – eine Einheit dauert rund zwei Stunden.

Die U23-Kaderathletin des Schweizerischen Ruderverbands hat auf diese Saison hin ihre Bootsklasse geändert. Sie tritt neu in der Kategorie Leichtgewichts-Einer an. Auch deswegen formuliert sie ihre Ziele für die Saison, die diesen Monat begonnen hat, vorsichtig: «Gerade auf internationaler Ebene weiss ich nicht, wo ich stehe. Ich will das Bestmögliche herausholen. Eine Medaille an Meisterschaften als Ziel auszurufen, würde ich mich aktuell nicht trauen.» Genau das hat der Bieler Seeclub zuvor getan. Er traut der Athletin an der EM oder an der WM eine Medaille zu. Der Bieler Cheftrainer Beat Howald ist nicht erstaunt über die Zurückhaltung von Heiniger. So sei ihr Naturell.

Wunsch ja, Ziel nein

Tommaso Fassone hat einige Gemeinsamkeiten mit seiner Klubkollegin. Auch er ist U23-Kaderathlet. Auch er hat auf diese Saison hin die Bootsklasse geändert. Der 21-Jährige tritt mit Dorian Rosenberg in der Kategorie leichter Doppelzweier an. Diese Bootsklasse ist im Gegensatz zu derjenigen von Heiniger olympisch. Was international eine noch grössere Konkurrenz bedeutet. Dennoch meint Fassone selbstbewusst: «Ich fahre mit einem Partner, den ich vom letzten Jahr her kenne, und uns läuft es gut. Ich hoffe schon, auch international vorne dabei zu sein.» Eine Medaille an einem Grossanlass will auch er nicht als Ziel äussern, jedoch als Wunsch.

Der Rudersport nimmt derzeit ein grosser Teil seines Lebens ein, daneben studiert Fassone noch Recht. «Das geht gut aneinander vorbei. Ich habe nicht viele Vorlesungen vor Ort und kann für das Studium oft von zu Hause aus arbeiten», so der Nidauer. Es bleibe genug Zeit für das Training. Am Mittwochabend steht ein intensives auf dem Programm. 90 Minuten auf dem sogenannten Ergo, dem Rudergerät. Nicht gerade seine Lieblingsart fürs Training. «Ich glaube, es gibt keinen Ruderer, der das gerne macht. Danach tut mir einfach alles weh.» Viel lieber trainiere er draussen auf dem See.

Herausforderung für den Coach

Beide U23-Kaderathleten freuen sich auf die Regatta vom Wochenende in der Innerschweiz. Es ist ein zweiter Vergleich mit der nationalen Konkurrenz. Beim ersten Wettkampf der Saison konnten sowohl Heiniger als auch Fassone überzeugen und Siege einfahren. Das wollen sie auch in Lauerz wieder. Heiniger meint: «Ich hoffe auf ein cooles Rennen und dass das Wetter mitspielt.» Coach Beat Howald fügt an, es sollte gut sein. Jedenfalls besser als letztes Jahr. Damals sorgte ein Föhnsturm über Nacht für kaputte Boote. Die Bieler blieben verschont. Ein anderer Trainer meint, Howald habe das gut vorausgeahnt und die Boote in einem sicheren Teil des Lagerplatzes verstaut.       

Der Bieler Cheftrainer hat sein Leben dem Rudersport verschrieben. Er war selbst als Sportler aktiv. 14 Jahre im Vorstand des Seeclubs, präsidierte diesen während sechs Jahren und ist nun seit Jahren Cheftrainer. Dabei muss er das Kunststück meistern, alle Athletinnen und Athleten bei Laune zu halten. «Das ist nicht immer einfach. Es gibt da grosse Unterschiede. Einige nehmen an internationalen Regatten teil, andere regattieren überhaupt nicht», so Howald. Er müsse das Training entsprechend gestalten und genügend andere Trainer aufbieten, die teils auch ehrenamtlich für den Bieler Seeclub arbeiten.

Gerade eben hat der Ruderklub ein Trainingslager durchgeführt. Mit dabei waren Klubmitglieder aus allen verschiedenen Altersklassen und mit unterschiedlichsten Ambitionen. «Das tut allen gut. So sehen sie, was andere machen und was sie können», meint Howald.

Offene Türen

Dem Cheftrainer ist es ein besonderes Anliegen, dass sein Klub allen Ruder-Begeisterten gegenüber eine offene Tür hat. Grundsätzlich sei das Rudern ab elf bis zwölf Jahren möglich, je nach Entwicklungsstand des Körpers. Die erste offizielle Kategorie ist die U15. «Dort haben wir diese Saison aber nicht viele, die regattieren werden», so Howald. Besser sehe es bei der U17 aus. Ob bei den Jüngsten oder den Ältesten, der Cheftrainer erwartet von seinen Athletinnen und Athleten gewisse Resultate: «Wir wollen auf nationaler Ebene erfolgreich unterwegs sein.» Konkret nennt er Platzierungen im vorderen Drittel. Und wenn Athleten wie Tommaso Fassone und Marion Heiniger auch international mithalten, sei das umso schöner für den Klub. Das hänge auch von persönlichem Talent und Engagement der Einzelnen ab. Der Trainingsaufwand von rund 20 Stunden pro Woche sagt genug.

Der nächste internationale Schlagabtausch ist in drei Wochen in Duisburg. Dort erfahren Heiniger und Fassone ein erstes Mal, wo sie tatsächlich stehen und erhalten Anhaltspunkte, wie realistisch eine EM- oder WM-Medaille in dieser Saison ist.
 
 

Nils Schneider wieder im Doppelvierer
Der Eliteruderer Nils Schneider vom Seeclub Biel startet in diesem Jahr erneut im Doppelvierer, allerdings in neuer Besetzung: Mit Schneider rudern neu Maurin Lange (SC Luzern), Jonah Plock (RC Rapperswil-Jona) und Scott Bärlocher (RC Baden). Weltcup-Start ist für die Elite am 5. Mai in Zagreb.

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Text: Michel Eggimann, Bieler Tagblatt
Bild: Carole Lauener, Bieler Tagblatt