Die diesjährige Wanderruderfahrt führte den Seeclub Biel nach Holland, nach Amsterdam und Ostfriesland. 180 geruderte Kilometer, gewürzt mit viel Abenteuer, Regen, Wind und Freude. Und mit einer Entdeckung: Senfsuppe!
Eine Wanderruderfahrt mit dem Seeclub Biel ist eine abenteuerliche Geschichte: Das zeigt sich schon im Vorbereitungstraining. Um sicher durch die schmalen Grachten Amsterdams und Flüsschen Ostfrieslands zu kommen, übt die rund 30-köpfige Gruppe verteilt auf zwei Abende in der Zihl das Steuern und Wenden mit wenig Platz. Wenn da bloss nicht der aggressive Schwan wäre, der gar keine Freude an den Seeclub-Booten in seinem Territorium hat und sie mit Scheinangriffen zu verscheuchen versucht! Das Navigieren in der schmalen Zihl und Üben von Ruder-Lang-Kommando (mit Nach-Hinten-Lehnen) unter der Brücke scheinen da schon fast eine Nebensächlichkeit zu sein.
Amsterdam, wie es die wenigsten sehen
Am Samstag vor Auffahrt geht’s los, mit dem Nachtzug nach Amsterdam. Einen Moment lang sieht es so aus, als ob wegen einer Zugverspätung der Nachtzug nicht zu schaffen sei. Es kommt aber gut. Gegen Mitternacht liegen alle in ihren Abteilen. Lukas Böglis Worte im Chat wiegen sie zusammen mit dem Ruckeln des Zuges in den Schlaf: «Gute Nacht. In freudiger Erwartung ihrer nächsten Abenteuer legten sich alle zur Ruh – und schliefen glücklich ein.»
Vor dem anstehenden Abenteuer schmeissen sich alle noch im Zug in ihr Rudertenue. Gleich geht es ans Boote-Aufriggern beim Ruderclub Wilhelm III in Amsterdam. Thomas von Burg, der seine 20. Wanderruderfahrt für den Seeclub durchführt, hat die Boote zusammen mit Andreas Sutter von Biel nach Holland gefahren und ist ebenfalls gut angekommen. Ein ständiger Begleiter dieser Reise meldet sich an: Regen. Der zweite, Wind, hält sich an diesem Samstag noch zurück. Die Seeclüblerinnen und Seeclübler lassen sich nicht beirren und erkunden auf ihrem Amstelrundkurs Amsterdam von ausserhalb. Am nächsten Tag geht’s auf die Grachtentour ins Zentrum von Amsterdam. Welch ein Anblick auf die Stadt, den die vielen Touristinnen und Touristen sonst nie zu sehen bekommen!
Glücklich und beseelt von diesem Tag macht sich die Gruppe mit einem Bus auf den Weg nach Norden. Der Chauffeur wählt die Route, die über den Abschlussdeich führt, der das IJsselmeer von der Nordsee trennt. Leeuwaarden ist das Ziel.
Erste Mühlen gesichtet. Und, ein seltener Moment: Die Sonne scheint!
Ostfriesland, idyllisch bis wild
Hier bezieht die Gruppe für zwei Nächte ihr Lager. Am Montag rudern die fünf Boote auf malerischen Flüsschen von Dokkum nach Wyns und zurück nach Leeuwarden zum örtlichen Ruderclub, wo die Boote über Nacht gelagert werden können. Erste Mühlen gesichtet. Und, ein seltener Moment: Die Sonne scheint! Zum Ausklang des sportlichen Teils an diesem Tag führt Coni ein Stretching auf der Wiese durch. Nach einem üppigen Nachtessen im altehrwürdigen «Nassauzaal» geht’s am nächsten Morgen weiter bis nach Sneek. Völlig durchnässt kann sich die Gruppe am Mittag in einem Restaurant niederlassen, das die Landmannschaft am Morgen organisiert hat. Hier macht sie bereits zum zweiten Mal in Friesland Bekanntschaft mit Senfsuppe. Klingt speziell, ist aber sehr lecker. Und gibt warm. Weiterrudern bis Sneek und Hotelbezug.
Mittagsrast mit Senfsuppe. Danach gestärkt durch schmale Flüsschen nach Stavoren.
Die nächsten beiden Tage werden zum veritablen Pièce de résistance auf dieser Wanderruderfahrt. Tag vier beginnt idyllisch mit lockeren 16 Kilometern bis zum «Bademeester Keimpe», der für den Seeclub in seinem Schuppen ein köstliches Mittagessen hergerichtet hat. Natürlich mit Senfsuppe. Die Nachmittagsroute nach Sneek führt die Gruppe durch ein schmales Flüsschen, dicht gesäumt von viel Grün, man wähnt sich im Dschungel. Ähnliche Situation am Tag 5: Zunächst rudert die Gruppe durch malerische Flüsschen bis Sleattermer, das kein Meer sondern ein See ist. Mittagsrast mit Senfsuppe. Danach gut gestärkt wieder aufs Wasser und durch sehr schmale Flüsschen nach Stavoren. Am Abend lässt es sich die Gruppe in einem von Schotten betriebenen Restaurant gut gehen. Kaum ist es leer, gibt’s die obligate Disco mit DJ Boris.
Vergesst London!
Nach zwei weiteren Tagen auf ostfriesischen Flüsschen kommt die Gruppe am Freitagabend in Harlingen an, am Meer. Eine abenteuerliche Woche wars, meisterhaft organisiert von Thomas von Burg und Marc von Weissenfluh. Thomas verspricht, noch die eine oder andere weitere Wanderruderfahrt zu organisieren. «Solange Evi mitmacht, bin ich dabei», sagt er. Mit seiner Ehefrau fährt er die Strecken jeweils vorgängig im Doppelzweier ab. Eines aber stellt Thomas klar: Dem von einigen gewünschten Reiseziel London kann er nach diesen nassen Tagen in Holland nichts abgewinnen. «Zu viel Regen, das könnt ihr gleich vergessen!» Doch vor der nächsten Wanderruderfahrt folgt der Abschlussabend im September. Das Menu steht schon fest: Es wird Senfsuppe sein.
Text: Catherine Arber
Bilder: Boris Fistarol, Urs Lüdi, Christine Möri